Tomografie, Mikroskopie und Satellitenantriebe
Die Industriegespräche Mittelhessen boten im Wintersemester 2023/24 wieder spannende Vorträge von hochkarätigen Referenten aus der Wirtschaft und Wissenschaft.
Die Themen waren vielfältig – sie reichten von der hochspezialisierten Welt der Reinraum- und Pharmatechnik über Elektroantriebe für die Luft- und Raumfahrt bis zu modernsten Mikroskop-Technologien in den Lebenswissenschaften.
Sauber ist nicht rein – Ein faszinierender Einblick in die hochspezialisierte Welt der Reinraum- und Pharmatechnik
Die Industriegespräche Mittelhessen starteten am 30. Oktober 2023 mit einem Vortrag von Dr. Christopher Keil ins Wintersemester. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der Firma MK Versuchsanlagen und Laborbedarf e.K. mit Sitz im mittelhessischen Mücke-Merlau. Der Fokus des Familienunternehmens liegt auf innovativen Lösungen für die Probenaufbereitung in metallfreien Reinräumen sowie hochpräzisen Messgeräten zur Dichtigkeitsprüfung von Handschuhen an pharmazeutischen Produktionsanlagen. Hauptkunden sind international führende Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Life Science- und Pharma-Industrie.
In seinem Vortrag zeigte Dr. Christopher Keil auf, warum sein Unternehmen als Vorreiter in diesem spezialisierten Bereich gilt und damit einen entscheidenden Beitrag zur Gewährleistung der Produktsicherheit und Reinheit in der Probenaufbereitung als auch in der pharmazeutischen Produktion leistet. So ist der Einsatz von metallfreien Reinräumen für Labore, die sich mit Ultra-Spurenanalysen befassen, essenziell, da hier winzige Kontaminationen vermieden werden müssen. Dabei geht es nicht nur darum, die Umgebung sauber und sicher zu halten, sondern auch die Menschen, die mit den Medikamenten arbeiten, zu schützen. Darüber hinaus muss gewährleitstet sein, dass die Medikamente selbst von höchster Qualität sind. So werden automatisierte und in die Prozessumgebung integrierte Messgeräte entwickelt, welche die hohen Standards der Pharmatechnik einhalten. Ein spezieller Fokus liegt auf dem Bereich der Automatisierung und Digitalisierung und einem speziellen Produktlebenszyklus-Management für die zu überwachenden Produkte.
Dr. Christopher Keil, Mitglied der Geschäftsleitung der Firma MK Versuchsanlagen und Laborbedarf e.K. (2. v. l.), mit den Machern der Industriegespräche Mittelhessen.
Elektrische Antriebselemente für Raumfahrzeuge
Zwei Wochen danach, am 13. November, war Dr. Stéphane Mazouffre vom CNRS, ICARE Laboratory in Orléans bei den Industriegesprächen Mittelhessen zu Gast. Er sprach über „Elektrische Antriebselemente für Raumfahrzeuge“ („Spacecraft electric propulsion elements“). Der Einsatz elektrischer Antriebe (EP) ist eine effiziente Methode, um ein Raumfahrzeug zu bewegen. Kurz gesagt, beruht EP auf dem Ausstoß von Ionen in das Vakuum des Weltraums, um einen Nettoimpuls zu erzeugen. Die hohen Geschwindigkeiten der Ionen, die durch elektrostatische oder elektromagnetische Beschleunigung erreicht werden, machen elektrischer Antriebe im Hinblick auf den Treibstoffverbrauch viel effizienter als chemische Antriebe. Daher rührt das Interesse und die hohe Nachfrage nach den neuen Satellitengenerationen.
In seinem Vortrag gab Dr. Stéphane Mazouffre zunächst eine kurze Einführung in die Grundlagen von EP. Im Vergleich zwischen EP und chemischen Antrieben zeigte er die Hauptvorteile und Schwachpunkte von Ionentriebwerken auf. Dabei wurde auch erklärt, warum und wie verschiedene EP-Ansätze und -Technologien den Satellitenmarkt revolutioniert und unbemannte Raumfahrtmissionen möglich gemacht haben, die zuvor nicht möglich waren. Im zweiten Teil seines Vortrags stellte Dr. Stéphane Mazouffre aktuelle experimentelle Ergebnisse vor, die mit Magnetdüsen-Plasmatriebwerken, Metalltreibstofftriebwerken und Hall-Effekt-Triebwerken erzielt wurden. In diesem Teil wurde auch der Nutzen der Laserspektroskopie und des maschinellen Lernens auf dem Gebiet der Elektrischen Antriebe demonstriert.
Dr. Robert Prevedel, Group Leader Cell Biology and Biophysics Unit am European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg, bei den Industriegesprächen Mittelhessen.
Moderne Mikroskopie in den Lebenswissenschaften
Am 22. Januar 2024 sprach Dr. Robert Prevedel vom European Molecular Biology Laboratory, Heidelberg, bei den Industriegesprächen Mittelhessen darüber, „Wie moderne Mikroskope die Lebenswissenschaften revolutionieren“.
Dabei verwies er eingangs mit einem Blick in die Geschichte darauf, dass sich seit der Erfindung des Lichtmikroskops im späten 16. Jahrhundert an dessen Grundprinzip überraschend wenig geändert hat. Denn: Einfache Mikroskope bestehen auch heute im Wesentlichen noch immer nur aus zwei ‚einfachen‘ Linsen, die es erlauben kleine Proben so weit zu vergrößern, dass sie für das menschliche Auge sichtbar werden. Nichtsdestotrotz habe sich die moderne Mikroskopie besonders in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt und vor allem in den Lebenswissenschaften (Biologie, Medizin, Pharmazie, etc.) eine wahre Revolution eingeläutet.
Heute sind Mikroskope in verschiedensten Ausführungen aus der Forschung nicht mehr wegzudenken. Sie erlauben uns biologische Vorgänge auf zellulärer Ebene mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung sowie mit molekularer Spezifizität zu visualisieren. In seinem Vortrag ging Dr. Robert Prevedel, Group Leader Cell Biology and Biophysics Unit am European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg, auf die neuesten technischen Entwicklungen in der Mikroskopie ein. In vielen Beispielen zeigte er auf, wie moderne Mikroskope in der heutigen Forschung eingesetzt werden, um komplexe molekular-biologische Zusammenhänge zu verstehen und somit den Geheimnissen des Lebens auf die Spur zu kommen.
Dr. Carsten Scharlemann, Head of Aerospace Engineering Programme an der Fachhochschule Wiener Neustadt, bei seinem Vortrag an der JLU.
Field Emission Electric Propulsion and its integration on the CubeSat CLIMB
Zurück ins All ging es 29. Januar 2024 bei den Industriegesprächen Mittelhessen: Dr. Carsten Scharlemann, Head of Aerospace Engineering Programme an der Fachhochschule Wiener Neustadt, hielt einen Vortrag über „Field Emission Electric Propulsion and its integration on the CubeSat CLIMB“.
CubeSats haben sich in den letzten mehr als 15 Jahren nicht nur als wichtiges Instrument im Bildungsbereich bewährt, sondern werden auch zur Erweiterung der Missionskapazitäten für groß angelegte Missionen wie die NASA-Mission InSight zum Mars und viele andere aktuelle und künftige Missionen genutzt. Schon sehr früh sei klar gewesen, so Dr. Carsten Scharlemann, dass der Einsatzbereich von CubeSats erheblich erweitert werden könne, wenn sie dv-fähig sind. Allerdings war die Integration von elektrischen Antriebssystemen in CubeSats lange Zeit ein ungelöstes Problem. Hauptgründe dafür waren die Größe, der (für CubeSats) hohe Energiebedarf, die relativ große thermische Belastung des CubeSats etc. Inzwischen sind mehrere Antriebssysteme für CubeSats vorgeschlagen worden und einige wenige haben sogar schon Weltraumerfahrung sammeln können. Kein System war jedoch so erfolgreich wie das Field Emission Electric Propulsion (FEEP) System der Firma ENPULSION. Ihr System wurde bereits fast 200-mal in CubeSats und Microsats geflogen.
Die neue CubeSat-Mission CLIMB der Fachhochschule Wiener Neustadt (FHWN) macht sich dies zunutze und kooperiert mit ENPULSION. Die Herausforderung bestehe darin, erklärte Dr. Carsten Scharlemann, einen FEEP zu verwenden, um die Höhe der Umlaufbahn von CLIMB von anfänglich 500 km auf 1.000 oder 1500 km zu erhöhen. In dieser Höhe wird das Raumfahrzeug nämlich in den Van-Allen-Gürtel eintreten – eine Region mit deutlich erhöhter Weltraumstrahlung. Nach der Ankunft und für etwa 6 Monate danach wird CLIMB die Strahlung überwachen und das Magnetfeld der Erde kartieren. Im Anschluss an diese wissenschaftliche Phase wird die Höhe der Umlaufbahn der Sonde langsam verringert, bis sie in den dickeren Teil der Atmosphäre eintritt und verglüht.
Programm
Sauber ist nicht rein – Ein faszinierender Einblick in die hochspezialisierte Welt der Reinraum- und Pharmatechnik
Dr. Christopher Keil, Mitglied der Geschäftsleitung, MK Versuchsanlagen und Laborbedarf, Mücke-Merlau
> 30.10.2023
Spacecraft electric propulsion elements
Dr. Stéphane Mazouffre, CNRS, ICARE laboratory, Orléans, Frankreich
> 13.11.2023
Wie moderne Mikroskope die Lebenswissenschaften revolutionieren
Dr. Robert Prevedel, Group Leader, Cell Biology and Biophysics Unit, European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg
> 22.01.2024
Field Emission Electric Propulsion and its integration on the CubeSat CLIMB
DI Dr. Carsten Scharlemann, Aerospace Engineering, Fachhochschule Wiener Neustadt, Österreich
> 29.01.2024
Alle Veranstaltungen fanden im Hörsaal III der Physikalischen Institute an der Justus-Liebig-Universität Gießen statt und konnten auch online verfolgt werden.