Dezember 2021
Foto: Ralf A. Niggemann
Schalz Adaptronic

Systemdenker

Mit einem Minimum an Ressourcen das Maximum erreichen – wer im System denkt, kommt diesem Ziel sehr nah. Davon ist Karl-Josef Schalz überzeugt. Und der Experte für Präzisionsmaschinenbau weiß ganz genau, wovon er spricht.

Im ländlichen Weilburg an der Lahn zu recherchieren, was man unter Adaptronik zu verstehen hat, wirkt schon beim ersten Gedanken abwegig. Aber mitunter sitzt das Wissen dort, wo man es nicht unbedingt erwartet. Bei Professor Dr. Karl-Josef Schalz ist das der Fall. Nach 24 Jahren an der ingenieurswissenschaftlichen Fakultät der HAWK Göttingen ist der emeritierte Professor wieder zu Hause angekommen. Obwohl: So ganz weg war er nie. 2010 gründete er in Weilburg seine Firma Schalz Adaptronic. Die Expertise des Maschinenbauers ist gefragt, weil er an der Schnittstelle von Wissenschaft und Industrie wertvolle Impulse gibt.

Optimum des gesamten Systems statt maximale Spezifikationen

Was den Experten für Präzisionsmaschinenbau besonders auszeichnet? Er war schon immer ein Mann der Praxis. Nach seiner Ausbildung zum technischen Zeichner mit Fachabitur studierte Karl-Josef Schalz in Kaiserslautern Maschinenbau, zunächst an der Fachhochschule, dann an der Universität, wo er mit Promotion abschloss. 1986 kam er zu Ernst Leitz Wetzlar und drang in die tiefen Dimensionen der Messtechnik vor: „In den ersten drei Jahren war ich als Entwickler zuständig für die Auslegung der Koordinatenmesstechnik. Meine Aufgabe war es, Maschinen zu simulieren und vor der Spezifikation zu dimensionieren.“ Es folgten acht weitere Jahre in der Mikroskopie, ab 1990 als Konstruktionsleiter und Elektronikleiter, schließlich als Innovationsleiter für die Fachabteilungen, Elektronik, Mechanik und Software.

Was es heißt, Präzisionsmaschinen zu entwickeln, hat Karl-Josef Schalz bei Leitz perfektioniert – das gilt für die Messtechnik, biologische Mikroskopie und die aufkommende Halbleitermikroskopie gleichermaßen. „Zu den Besonderheiten gehörte es, dass der Entwicklungsleiter nicht nur für die Entwicklung eines Produkts zuständig war, sondern auch für die Herstellungskosten“, erinnert sich Schalz: „Das heißt zum einen, dass man bei der Entwicklung einer Maschine immer Kosten und Nutzen, Aufwand und Ertrag im Blick behält. Zum anderen führte es mich zu der Einsicht, dass deren Leistungsfähigkeit und Performance nicht zwingend von maximalen Spezifikationen abhängt, sondern vielmehr auf ein Optimum des gesamten Systems abzielen sollte. Diese Denkweise habe ich verinnerlicht. Und sie ist wichtig. Auch und vor allem für den Erfolg eines Produktes.“

Das Geheimnis und die Wirkung der Adaptronik

Genau da setzt die Adaptronik an: Sie nimmt die Funktionsprinzipien der Mechanik, Elektronik und Regelungstechnik in den Blick und zielt darauf ab, durch Simulation, Modellbildung und entsprechende Auslegung das System zu optimieren. Wie das funktioniert, hat Karl-Josef Schalz gemeinsam mit der Firma Busch Microsystems in Langenlosheim unter Beweis gestellt: „Ein Bauteil auf 1/1000 Haaresbreite zu vermessen ist nahezu unmöglich oder technisch so aufwendig, dass es wirtschaftlich kaum noch darstellbar ist. Basierend auf dem Funktionsprinzip der dynamischen Fehlerkompensation ist es uns gelungen, eine Ultra-Präzisionsmaschine zu entwickeln, die das schafft, indem Restfehler in Realzeit weitgehend kompensiert werden.“

Das Geheimnis der Adaptronik liegt also im System – und ihre Wirkung liegt auf der Hand: mit einem Minimum an Ressourcen ein Maximum erreichen. „Wenn ich das System verstehe und geschickt kombiniere“, erklärt Karl-Josef Schalz, „kann ich beispielsweise viel leichtere Maschinen bauen. In der Optik und Feinmechanik wiederum, wo jedes Hundertstel an Toleranzen in der Fertigung exponentiell kostenintensiver wird, kann ich über entsprechende systemische Auslegungen effektiv gegensteuern.“ Das ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch ressourcenschonender und am Ende nachhaltiger.

Potenziale der maschinendynamischen und strukturmechanischen Auslegung

Die Potenziale, die sich für Unternehmen durch eine optimale maschinendynamische und strukturmechanische Auslegung eröffnen, sind enorm. Und das Wissen, das den Systemdenker Karl-Josef Schalz dazu in die Lage versetzt, ist bemerkenswert. Seit diesem Semester gibt er dieses Wissen auch als Dozent im Modul „Konstruktion/Maschinenelemente“ im Rahmen von StudiumPlus an der Technischen Hochschule Mittelhessen weiter. Dabei behält er stets das große Ganze im Blick. Ganz egal, ob es um Optik oder Präzisionsmechanik geht, um Mikro- oder Makrostrukturen, um das kleine Unternehmen oder den Industriestandort Deutschland.

„Was nützt es, wenn wir versuchen, unsere Leistungsdaten oder Spezifikationen im Einzelnen zu verbessern, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Wir müssen im System erfolgreich sein“, sagt Karl-Josef Schalz beim Verabschieden. Diese Einschätzung ist mehr als einen Gedanken wert. Und sie beschäftigt uns noch eine ganze Weile, als wir das Ortsschild von Weilburg längst hinter uns gelassen haben.

www.schalz-adaptronic.de