Standortfragen
Im Interview spricht der neue Standortleiter der Bosch Home Comfort Group in Wetzlar, Dr. Rainer Ortmann, über aktuelle Herausforderungen, Zukunftspläne und seine Verbundenheit mit der Region.
Seine berufliche Karriere bei der Robert Bosch GmbH führte Dr. Rainer Ortmann von Stuttgart über Indien nach Wetzlar. Seit 2006 ist er bei der Bosch Home Comfort Group tätig, heute als Leiter Regierungs- und Politikbeziehungen mit Schwerpunkt Energiepolitik. Auch wenn er viel unterwegs ist – richtig zu Hause fühlt er sich in Wetzlar.
W3+: Herr Ortmann, Sie sind seit 1. Januar 2023 neuer Standortleiter der Bosch Home Comfort Group in Wetzlar. Wie wurden Sie aufgenommen?
Rainer Ortmann: Ich bin ja schon seit siebzehn Jahren hier zu Hause und mit der Region eng verbunden. Umso mehr freut es mich, dass ich als neuer Standortleiter in Wetzlar wirklich sehr herzlich und offen empfangen wurde.
W3+: Wie haben Sie das erste halbe Jahr erlebt?
Rainer Ortmann: In meinem Job als Leiter Regierungs- und Politikbeziehungen bin ich häufig in Berlin. Hier in Wetzlar werde ich als Standortleiter mit ganz handfesten Herausforderungen konfrontiert. Zur Jahreswende, als ich angefangen habe, war die Situation bekanntlich nicht einfach. Wir hatten noch mit den Nachwirkungen der Pandemie zu tun; die dramatische Entwicklung der Energiepreise hatte sich zwar wieder eingependelt, aber auf hohem Niveau. Wir haben hier am Standort Wetzlar 17.000 Quadratmeter Gebäudefläche. Um den reibungslosen Betrieb in den Büros und hinter den Kulissen sicherzustellen, mussten Lösungen gefunden werden.
W3+: Sie wurden also ins kalte Wasser geworfen – und das auch noch im Winter?
Rainer Ortmann: Mehr Verantwortung zu übernehmen, kam für mich ja nicht unvorbereitet. Und: In einer solchen Situation die richtigen Entscheidungen zu treffen, lastet zum Glück nicht nur auf den Schultern des Standortleiters. Ich habe sehr schnell gemerkt, dass ich hier ein großartiges Team habe, auf das ich mich hundertprozentig verlassen kann. Vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Facility Management, die sich um Gebäudebetrieb, Gebäudesicherheit, Instandhaltung und Weiterentwicklung kümmern, haben in den vergangenen Monaten wirklich hervorragende Arbeit geleistet.
W3+: Es waren auf jeden Fall turbulente sechs Monate. Immer wieder hört man von einer energiepolitischen „Zeitenwende“. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Rainer Ortmann: Wenn man sich die energiepolitischen Diskussionen der vergangenen Monate anschaut und wie sie in der Öffentlichkeit geführt wurden, dann ging es tatsächlich turbulent zu. Für mich ist der Begriff „turbulent“ eher positiv konnotiert. In meinem Berufsleben ging es immer darum, Aufgaben zu bewältigen und Lösungen zu finden. Dabei hilft es ungemein, die Dinge differenziert zu betrachten. Nur so wird man der Komplexität einer Sache gerecht. Die energiepolitische „Zeitenwende“, die Sie angesprochen haben, umfasst ja verschiedene Bereiche, in denen Veränderungen erforderlich sind: industrielle, öffentliche und private Energieversorgung, Versorgungssicherheit in urbanen und ländlichen Räumen, energieeffiziente Heiztechnik oder nachhaltige Mobilitätskonzepte, um nur die wichtigsten zu nennen. Jedes einzelne dieser Themen ist schon komplex genug. Betrachtet man sie alle zusammen unter einem Brennglas, dann wird schnell klar: Einfache Lösungen kann und wird es da nicht geben.
W3+: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?
Rainer Ortmann: Ich denke, jeder weiß in etwa, was auf uns zu kommt. Im großen Maßstab hat sich die EU dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Aber wir müssen eben auch mit Einsicht und Weitsicht dafür sorgen, dass die Herausforderung für die Menschen nicht zur Überforderung wird. Genau das versuchen wir als Vollanbieter für Heizung, Kühlung und Wohnkomfort den Kunden zu vermitteln.
»Zukunft braucht Herkunft. Das ist in einem traditionsreichen Konzern wie Bosch ganz selbstverständlich. Wie wichtig der Standort Wetzlar innerhalb der Bosch Home Comfort Group ist, hat natürlich auch mit der langen Geschichte von Buderus hier in der Region zu tun.«
W3+: Sie sind als größter europäischer Anbieter von Heizungen aktuell sehr stark von energiepolitischen Entscheidungen abhängig. Stichwort: „Heizungsgesetz“. Können Sie da überhaupt zielgerichtet agieren? Inwiefern sind Sie gezwungen, schnell zu reagieren?
Rainer Ortmann: Wir sind ein Unternehmen, das agiert. Als Experten für Heiztechnik sind wir zudem ein geschätzter Ansprechpartner in der Politik. Ich persönlich war an der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes, die ja turnusgemäß alle drei Jahre stattfindet, aktiv beteiligt, was im deutschen Gesetzgebungsprozess erlaubt und gewünscht ist. Da steht nichts Überraschendes drin, auf das wir technologisch nicht vorbereitet wären. Klar müssen wir voraussichtlich zum 1. Januar 2024 schnell und agil den Marktanforderungen gerecht werden. Entscheidend wird dann jedoch nicht die Art der Heiztechnik sein, sondern die Frage, wie man entsprechende heiztechnische Lösungen fachmännisch und für die Kunden bezahlbar umsetzt.
W3+: Die Kunden sind nach wie vor verunsichert. Zumal kaum jemand beurteilen kann, welche Technologien sich langfristig durchsetzen. Wenn ich es richtig sehe, setzt die Bosch Home Comfort Group auf verschiedene Lösungen. Ist das der richtige Weg?
Rainer Ortmann: Die Entwicklung der Heiztechnik war schon immer technologieoffen. Unter dem Dach der Bosch Home Comfort Group decken wir heute das gesamte Spektrum ab: von verschiedenen Wärmepumpen und Wärmepumpen-Hybridsystemen über Brennwertheizungen, Klimageräte, Solarthermieanlagen bis hin zum effizienten Energiemanagement. Wir richten uns vor allem nach den spezifischen Bedarfen der Kunden. Das ist richtig und wichtig, denn die energietechnischen Anforderungen eines mittelgroßen produzierenden Unternehmens unterscheiden sich eklatant von denen eines privaten Einfamilienhauses. Zudem muss man in jedem Einzelfall die jeweilige Versorgungsinfrastruktur berücksichtigen. Genau das soll ja im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung ermittelt werden.
W3+: Der Name Buderus ist seit mehr als 150 Jahren eng mit der Region verbunden. Wie sehr kann man sich auf die Herkunft verlassen, wenn es um die Zukunft geht?
Rainer Ortmann: Zukunft braucht Herkunft. Das ist in einem traditionsreichen Konzern wie Bosch ganz selbstverständlich. Wie wichtig der Standort Wetzlar innerhalb der Bosch Home Comfort Group ist, hat natürlich auch mit der langen Geschichte von Buderus hier in der Region zu tun. 2003 wurden die Heiztechnik-Aktivitäten von Buderus und damals Bosch Thermotechnik zusammengelegt. Ich selbst habe die Integration fast von Anfang an begleitet. Und ich kann sagen: Wetzlar ist nach wie vor ein enorm starker Standort. Es ist der „Heimathafen“ unserer stärksten Marke Buderus. Als Standortleiter von Wetzlar stehe ich zudem in engem Kontakt mit den Kollegen in Lollar und Eschenburg-Eibelshausen. Dort haben wir aktuell eine hochmoderne Wärmepumpen-Fertigung aufgebaut.
W3+: Ihr Unternehmen kann sich auf langjährige Erfahrung und Expertise berufen. Wie gelingt es, diese technologische Kompetenz im Sinne qualifizierter Nachwuchskräfte auch in Zukunft abzusichern?
Rainer Ortmann: Wir investieren sehr viel in die Ausbildung und Qualifikation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn im Zuge der technologischen Weiterentwicklung sind teilweise völlig neue Fertigkeiten und Fähigkeiten gefragt. Das betrifft den produktiven Bereich genauso wie unsere IT oder den Vertrieb. Darüber hinaus arbeiten wir sehr eng mit der Technischen Hochschule Mittelhessen und StudiumPlus zusammen. Dass wir in der Region zu den attraktivsten Arbeitgebern gehören, freut uns natürlich. Aber wir tun auch einiges dafür.
W3+: Die Bosch Home Comfort Group ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region. Wird das auch künftig so sein?
Rainer Ortmann: Ja.
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