Mai 2018
Schwergewichtige Anlagen für hochpräzise Vibrationsdämpfung. (Fotos: Ralf A. Niggemann)
IDE

No Vibrations

Integrated Dynamics Engineering (IDE) ist seit mehr als fünfundzwanzig Jahren führend in der Vibrationsisolation und Umgebungskontrolle. Was das genau heißt, haben wir in Raunheim erfahren.

Es gibt „Good Vibrations“ und „Bad Vibrations“, wie wir aus musikalisch gesicherten Quellen seit den Beach Boys und etwas krasser von der Band A Day to Remember wissen. Für Thomas Breser sind Vibrationen per se schlecht. Nicht privat, aber beruflich. Seit 2011 ist er Geschäftsführer der IDE Group: Integrated Dynamics Engineering steht für hochpräzise integrierte Systeme, die strukturdynamische Umgebungseinflüsse eliminieren, und zwar durch höchste Ingenieurskunst. Vor allem geht es da um aktive Vibrationsisolierung, aber auch um das Abschirmen von elektromagnetischen Wellen. Die Anwendungsfelder reichen von der Baustatik und -dynamik über die medizinische Magnetresonanz-Bildgebung bis zur Fertigung von Halbleiterplatten, wo sich die Einflussgrößen im Nanometerbereich bewegen. Aber davon später mehr.

Weltmarktführer durch bodenständige Präzisionsarbeit

IDE ist eines dieser Hightechunternehmen, die man eher im Silicon Valley vermuten würde als im hessischen Raunheim, einen Steinwurf entfernt vom Frankfurter Flughafen, zwischen Wohngebiet und Startbahn. Aber es passt dann auch wieder ganz schön ins Bild: Denn hier schafft ein Weltmarktführer mit bodenständiger Präzisionsarbeit die Voraussetzungen dafür, dass unsere digitale Welt immer kleiner smarter und leistungsfähiger wird.

1990 wurde IDE von Peter Heiland in Flörsheim gegründet. Sieben Jahre später zieht die Firma über den Main nach Raunheim. Schon damals hat der Inhaber eine fixe Geschäftsidee und den US-amerikanischen Markt fest im Blick. Er eröffnet ein Büro in Massachusetts, kauft Firmen in den USA und konsolidiert seine Übersee-Aktivitäten in Randolph, MA, wo bis heute das Headquarter der IDE Inc. sitzt. Es folgt eine Verkaufs- und Serviceniederlassung in Tokio. Bereits 2003 hat IDE mehr als 150 Mitarbeiter. Das Unternehmen wächst kontinuierlich. Dieses Potenzial erkennt auch die Aalberts Industries Gruppe aus Holland, die im Jahr 2008 80 Prozent der Anteile erwirbt.

Meister der Vibrationsisolation und Umgebungskontrolle

Anfang 2011 steigt Peter Heiland aus dem Unternehmen aus, Thomas Breser wird sein Nachfolger als Geschäftsführer. „Aalberts Industries hat von Anfang an großen Wert darauf gelegt, dass IDE unternehmergeführt bleibt. Das heißt, wir treffen alle Entscheidungen im Sinne des Unternehmens“, betont Breser. Dazu gehörte bereits im ersten Jahr seiner Tätigkeit der Ausbau des Standorts Raunheim. Das damalige Firmengebäude aus den 1970er-Jahren war in die Jahre gekommen und entsprach nicht mehr den zeitgemäßen Anforderungen an eine hochmoderne Fertigung. Anfang 2012 begannen die Planungen für den Neubau, der in zwei Phasen realisiert wurde, um den laufenden Betrieb nicht zu gefährden. Ein bestehendes Industriegebäude wurde renoviert und modernisiert. An den Altbau wurden die neuen Produktionshallen angedockt.

Thomas Breser führt uns durch die heiligen Hallen, wo die Mitarbeiter teils schweres Gerät, teils feinste Mechanik auf- und ausbauen. Wuchtige Granitplatten sorgen für stabile Verhältnisse. Aktive Vibrationsdämpfer verrichten ihre Arbeit, Daten werden ausgelesen und ausgewertet. Das Herzstück ist der riesige Reinraumbereich, der genau genommen aus mehreren Räumen besteht. Man wundert sich, dass in einem Hightechunternehmen – gemessen am Automatisierungsgrad – erstaunlich viel manuell erledigt wird. „Das macht ja zu einem großen Teil das Geheimnis unseres Erfolges aus“, entgegnet Breser: „Wir fertigen hochspezialisierte Systeme, für die man keine Automatisierung braucht, sondern vor allem Herz, Verstand und Erfahrung. Was das Know-how bezüglich Strukturdynamik anbelangt, kann uns keiner das Wasser reichen.“

Ermöglicher der Informationstechnologie-Ära

Als Markt- und Technologieführer gehört es für IDE zu den Kernaufgaben, dieses Know-how zu pflegen und ständig auszubauen. Allein 30 Leute sind in der Entwicklung tätig – das ist fast ein Fünftel der Belegschaft. Sie arbeiten an Lösungen, die man nicht einfach so aus der Schublade zieht. Und sie entwickeln bestehende Systeme weiter, um den rasanten Technologiezyklen immer einen Schritt voraus zu sein. Das spielt vor allem in der Halbleiterindustrie eine ganz entscheidende Rolle. Und die ist wiederum für IDE einer der Wachstumstreiber schlechthin.

„Wir verstehen uns als Ermöglicher der Informationstechnologie-Ära“, sagt Thomas Breser. Das klingt erst einmal großspurig, aber im Grunde hat er ja Recht. Was IDE dabei leistet, wird deutlich, wenn man die Informationstechnologie nicht nur vom Kopf her betrachtet, sondern über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Die Ära, in der wir leben, wird vor allem von digitalen Technologien geprägt, die unser Leben verändern. Ohne Smartphones und Tablets, ohne Big Data und Cloud Computing, Navigation oder Datendienste wären wir weitgehend hilflos. Wir bewegen uns durch das Internet als wäre es die Welt. Elektronische Fahrerassistenzsysteme bereiten uns auf das autonome Fahren vor. „Die Elektronikindustrie ist gefordert, all das zu ermöglichen. Am Front-End und am Back-End“, erklärt Thomas Breser. „Und damit meine ich nicht nur die Hersteller, die Consumer-Produkte auf den Markt bringen.“

Blick in den Reinraumbereich von IDE.

Halbleiterindustrie als Wachstumstreiber

Tatsächlich werden unsere Smartphones, Tablets, Flachbildschirme oder Fahrerassistenzsysteme maßgeblich von den Microchip-Herstellern ermöglicht. Diese Microchips basieren auf hochleistungsfähigen Semikonduktoren. Die Hersteller solcher Halbleiterplatten brauchen wiederum Fertigungsanlagen, die so präzise und zuverlässig arbeiten müssen, wie es in kaum einer anderen Branche erforderlich ist. Das liegt daran, dass die Semikonduktoren immer mehr leisten müssen. Mehr Leistung heißt, immer mehr Transistoren auf kleinster Fläche unterzubringen. Die entscheidende Frage: Wie viele Transistoren haben auf einem Mikrochip von der Größe eines Daumennagels Platz? Heute sind es mehrere hundert Millionen. Das ist kaum vorstellbar. Und noch unvorstellbarer ist es, wie man solche Strukturen in der hochvolumigen Fertigung von Halbleiterplatten überhaupt produzieren kann.

Genau dafür braucht es die Technologie von IDE. Denn nur durch eine vibrationsfreie Produktionsumgebung ist eine Produktion in diesen Dimensionen überhaupt erst möglich. Um welche Dimensionen es dabei handelt, definieren sogenannte Technologieknoten beziehungsweise Nodes, die für die Halbleiterindustrie festgelegt und etwa alle zwei Jahre angepasst werden. Sie definieren die Strukturgröße einer Herstellungsprozessgeneration. 2003 lag der Node noch bei 100 Nanometer. 2017 waren es 10 Nanometer. Und in diesem Jahr bereitet sich die Industrie auf die nächste Stufe vor, die bei 7 Nanometer liegen wird.

Höchste Genauigkeit und Reproduzierbarkeit

Das heißt: Die Strukturgröße der auf einer Halbleiterplatte verbauten Transistoren beträgt 7 Nanometer. Stimmen die Struktur oder die Abstände nicht, gibt es eine Fehlfunktion oder einen Kurzschluss. „Um solche Fälle auszuschließen, brauchen Sie Messgeräte mit einer Messgenauigkeit von weniger als 1 Nanometer“, erläutert Thomas Breser. Aber das sagt natürlich keinem was. Deshalb veranschaulicht er es an einem Beispiel: „Das ist so, als würde ein Eishockeyspieler auf dem Mond einen Schlag ansetzen, um in 384.000 km Entfernung auf der Erde ein Tor zu treffen. Und zwar nicht nur in einem von zehn Versuchen sondern in zehn von zehn Fällen. Diese Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ist in der Halbleiterproduktion gefordert. Und unsere aktive Schwingungskompensation schafft die Voraussetzungen dafür, dass solche extremen Produktionsbedingungen realisiert werden können.“

IDE geht es immer um zuverlässige Systeme mit herausragender Präzision – auch wenn mal nicht im Nanometerbereich gemessen oder produziert werden soll. „Momentan arbeiten wir an einer Vibrationsdämpfung für eine 150-Tonnen-Anlage, auf der künftig Flachbildschirme produziert werden sollen“, verrät Thomas Breser. Und dann gibt es auch immer wieder Speziallösungen, die kein anderer kann. Zum Beispiel von einem chinesischen Auftraggeber, der in einer deutschen Werft ein Kreuzfahrtschiff bauen ließ, auf dem ein hochempfindlicher Magnetresonanztomograph (MRT) installiert werden sollte. „Fünf Firmen wurden eingeladen, um für das Problem eine Lösung zu finden“, erinnert sich Breser. „Nach dem ersten Treffen war noch eine Firma übrig, nämlich IDE. Wir haben für das Schiff spezielle Schwingungskompensationssysteme entwickelt, die entkoppelt und in den Boden eingelassen sind. Dadurch funktioniert das MRT selbst unter erschwerten Bedingungen tadellos.“

In immer kleineren Dimensionen denken

Natürlich ist die Halbleiterindustrie eines der wichtigsten Geschäftsfelder für IDE – und einer der Wachstumstreiber im Technologiebereich. Das wird auch in Zukunft so bleiben. In diesen extremen Bereichen kann sich IDE durch herausragendes Know-how und umfassende Erfahrung besonders auszeichnen. „Wir sind in der Lage die strukturdynamische Kräfte und Prozesse innerhalb von komplexen Systemen ganz genau zu analysieren und zu ermitteln, wo sie doppelt und dreifach wirken, indem sie sich addieren. Wir können Szenarien vorab simulieren und berechnen. Im Ergebnis erhöht sich die Produktivität der Kundenanlage um Faktoren. Vor allem aber können sich unsere Kunden darauf verlassen, dass sie von uns die Präzision bekommen, die sie von uns erwarten“, freut sich Thomas Breser. Es ist schon paradox: Für IDE heißt Wachstum, in immer kleineren Dimensionen zu denken. Aber je kleiner die Dimensionen werden, desto größer werden die Augen.

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